Das riskante Spiel der Susanne Eisenmann

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Das riskante Spiel der Susanne Eisenmann

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Veröffentlicht von Jürgen Lessat in Corona-Pandemie · 1 Februar 2021
Tags: Eisenmann
Susanne Eisenmann hat ein Herz für Kinder. Deshalb wollte die Stuttgarter CDU-Kultusministerin Schulen und Kitas im Südwesten trotz hoher Inzidenzen und gegen den Rat von Virologen schnell öffnen. Corona-Infektionen in einer Freiburger Kita verhinderte dies in letzter Minute - zum Glück, wie das aktuelle Ausbruchsgeschehen an einer Schweizer Schule nahelegt.

Susanne Eisenmann hat ein Herz für Kinder. Und offenbar ein noch größeres für gestresste Eltern. Denn die könnten ihr aus Dankbarkeit in knapp sechs Wochen ihre Stimme schenken. Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 14. März, bei der die 56-jährige CDU-Politikerin den populären Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) beerben und erste Ministerpräsidentin im Musterländle werden will. Eine große Wählerschaft, deren Wohlwollen sich die derzeitige Kultusministerin trotz hoher Infektions- und Todeszahlen mit schnellen flächendeckenden Öffnungen von Kitas und Grundschulen sowie Schulkindergärten sichern wollte.

Ein riskantes
Vorhaben, wie sich jetzt anhand eines Corona-Ausbruchs an einer Schule im schweizerischen Arosa zeigt. Dort waren am vergangenen Dienstag (26. Januar) drei Coronavirus-Infektionen entdeckt worden. Weitere Untersuchungen bestätigten insgesamt 20 Fälle. Der Ausbruch veranlasste das Gesundheitsamt Graubünden einen Massen-PCR-Test durchzuführen. Einwohner wie Gäste wurden aufgerufen, sich am vergangenen Freitag und Samstag testen zu lassen.

Die Bilanz des zweitägigen Flächentests veröffentlichte die Kommunikationsstelle Coronavirus des Gesundheitsamts am heutigen späten Nachmittag: Demnach wurden unter den 2794 getesteten Personen 76 mit dem SARS-CoV-2 Virus Infizierte bestätigt. Bei 63 Infizierten wurde die hochansteckende britische Virus-Mutante (B.1.1.7) nachgewiesen. "Die positiven Fälle sind hauptsächlich auf das schulische Umfeld, insbesondere auf Schülerinnen und Schüler, deren Eltern als auch auf Lehrpersonen, zurückzuführen", so das Gesundheitsamt. Auf Anfrage von POlitoGO.de konkretisiert die Kommunikationsstelle, dass der Ausbruch sich auf die untersten Klassenstufen mit Kindern im Alter bis zu zehn Jahren konzentrierte. Das Corona-Virus und seine Mutation verbreitete sich unter den jüngeren Schülern, während es Ältere verschonte.

Wahlplakat der CDU: Anders als behauptet infiziert die britische Corona-Virusmutante auch kleine Kinder (Quelle CDU)
Anders als behauptet infiziert die britische Corona-Virusmutante auch kleine Kinder (Quelle CDU)
Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu den bisherigen Pandemiestrategien in Deutschland, wonach zunächst kleinere Kinder von Lockerungen profitieren sollen. So forderte Baden-Württembergs Kultusministerin Eisenmann bereits kurz nach dem Jahreswechsel die flächendeckende Öffnung von Kitas, Kindertagespflege sowie Grundschulen und Schulkindergärten ab dem 11. Januar. Nur Schülerinnen und Schüler anderer Jahrgängen an weiterführenden Schulen sollten Fernunterricht erhalten. Geschlossene Kitas und Schulen über einen längeren Zeitraum hätten negative Folgen für den Lernerfolg und die soziale Teilhabe der Kinder und Jugendlichen, so Eisenmann. Und: "Sie sind zudem eine enorme Belastung für die Familien in unserem Land." Erst kurz vor Weihnachten waren auch die Bildungseinrichtungen in einen bundesweiten Lockdown geschickt worden, im Südwesten saßen seitdem etwa 1,5 Millionen Schüler und rund 130.000 Lehrkräfte im Lockdown. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte Eisemanns Vorhaben damals scharf. Sollte der Unterricht wieder in den Schulen stattfinden, wäre der gesamte Lockdown der vergangenen Wochen umsonst gewesen. Mit Blick etwa auf das medizinische Personal auf Intensivstationen sei das unverantwortlich, warnte er.

Zwar scheiterte Eisenmann aufgrund damaliger hoher Infektionszahlen mit dem Versuch, Öffnungen schon im Januar durchzusetzen. Mit ihrem medial verbreiteten Credo setzte sie jedoch Ministerpräsident Kretschmann unter Druck, der bis dato eine vorsichtige Strategie gefahren hatte. Wohl dadurch kam es am 20. Januar zu kuriosen Szenen: Noch während Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Presse in Berlin als Ergebnis eines Bund-Länder-Treffens die Schließung der Schulen bis Mitte Februar erläuterte, verkündete Kretschmann in Stuttgart, diese bereits Anfang Februar schrittweise öffnen zu wollen.

Wahlplakat zur Landtagswahl in Baden-Württemberg: CDU-Verbrecher auf innovativer Stimmenjagd (Quelle CDU)Wahlplakat zur Landtagswahl in Baden-Württemberg: CDU-Verbrecher auf innovativer Stimmenjagd (Quelle CDU)
Am 26. Januar verteidigte Kretschmann quasi als Sprachrohr Eisenmanns die schnellen Öffnungen in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz. Als sich Lanz mit politischen Sprachhülsen nicht zufriedengab, rastete der 72-Jährige aus. Es müsse nicht so getan werden, „als seien da Schurken am Werk“, brüllte er. Man habe mit der "Goldwaage" faktenbasierte Entscheidungen getroffen. Belastbare Daten würden zeigen, dass das Infektionsrisiko unter unter-zehnjährigen Kindern unwahrscheinlicher sei als unter Erwachsenen, erwähnte der 72-Jährige eine Studie aus den Anfangszeiten der Pandemie. Einwände von Lanz, dass dies wohl nicht den aktuellen Stand widerspiegele, weil neue infektiösere Corona-Varianten kursierten, lies er nicht gelten. Experten hätten ihm den Forschungsstand erklärt: „Das ist belastbar“, so der Ministerpräsident.


BILD war dabei: Bei Lanz lief Kretschmann grün an (Screenshot www.bild.de)
Zwei Tage später erwies sich die Aufregung als unnötig: In einer Freiburger Kita war es zu einem Corona-Ausbruch gekommen, 16 Infektionen mit der südafrikanischen Virusmutante wurden nachgewiesen. Die Pressekonferenz, in der Kretschmann zusammen mit Eisenmann über Öffnungen informieren wollte, wurde kurzfristig abgesagt. "Diskussionen über Lockerungen sind derzeit gegenstandslos", verkündete Kretschmann später via Youtube-Video die Rolle rückwärts. Schulen und Kitas bleiben nun bis mindestens 21. Februar geschlossen.

Und Kultusministerin Eisenmann, die immer zu schnellen Schulöffnungen gedrängt hatte? Sie bekannte am gleichen Tag in einem Radio-Interview, dass die Entwicklung der Corona-Pandemie sehr dynamisch sei: "Da kann man nicht langfristig planen, es ist einfach nicht möglich."

In Arosa glaubt man derweil, dank unverzüglichen Handelns das mutierte Virus in Schach gehalten zu haben. Alle positiv getesteten Personen sowie deren weitere Kontakte seien unter Quarantäne gestellt. "Zum Glück konnte die Schule Arosa als einziger Infektionsherd verifiziert werden", so die Gemeindeverwaltung. Damit sei "sowohl die Gesundheit der Bevölkerung gewährleistet wie auch, dass der wichtige Wintertourismus mit den nun beginnenden Sportferien unter Einhaltung der Schutzmassnahmen weiterhin stattfinden kann."

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